Das Regierungsgebäude - Spiegelbild der wechselvollen Geschichte
Von 1918 bis 1952 erlebte das Regierungsgebäude Demokratie und Diktatur, Zerstörung und Wiederaufbau – ein Spiegelbild der wechselvollen Geschichte Österreichs.
Der Zerfall der Donaumonarchie nach dem Ersten Weltkrieg hatte auch auf die Verwaltungsstadt Wien folgenschwere Auswirkungen. Mit einem Schlag schien das für ein Reich mit über 50 Millionen EinwohnerInnen ausgelegte Kriegsministerialgebäude völlig überdimensioniert. Dennoch blieb es mit dem Staatsamt für Heereswesen vorerst der militärischen Verwaltung vorbehalten. So wurde von hier aus der Aufbau des neuen Bundesheeres in Angriff genommen, der das Haus zu einem wichtigen Schauplatz der politischen Auseinandersetzungen in der Ersten Republik machte.
Ab 1924 wurde das Haus dann zusehends für die zivile Nutzung geöffnet: In die soldatisch geprägten Mauern hielten das Bundesministerium für Handel, Gewerbe und Verkehr, die Bundesgebäudeverwaltung, das Patentamt und eine Zweigstelle der italienischen Handelskammer Einzug. Ende 1924 nahm darin schließlich auch die RAVAG, Österreichs erste Rundfunkgesellschaft, ihren Betrieb auf. Damit wehte ein Wind der Veränderung durch den mittlerweile anachronistisch anmutenden Prunkbau. 1934 zogen weitere Ministerien ein, darunter auch jenes für Land- und Forstwirtschaft.
Hort der Willkür
Mit dem „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich mussten die zivilen Einrichtungen das Haus wieder verlassen, denn das Regierungsgebäude war eines der ersten Gebäude, das von den neuen Machthabern eingenommen wurde. Es sollte durch den Einzug des XVII Armeekorps der Wehrmacht zu einem der zentralen politischen Angelpunkte in der sogenannten „Ostmark“ werden. Damit fand das für den Fall des Krieges gebaute Haus seine Bestimmung wieder in seiner ursprünglichen Verwendung – dieses Mal unter den Vorzeichen eines verbrecherischen Regimes, das den gesamten Kontinent an einen apokalyptisch anmutenden Abgrund führen sollte.
Über drei Stockwerke verteilten sich diverse NS-Gerichte. Die Militärjustiz musste hierbei nicht zwangsläufig auf Richter und Juristen aus dem „Altreich“ zurückgreifen, sondern fand auch hierzulande zahlreiche willige Experten. Immer mehr Verwaltungs- und Stabstellen der Wehrmacht zogen ein, sie waren sowohl in die Planung als auch in die Durchführung der Feldzüge involviert.
Das Regierungsgebäude spielte sowohl bei den Operationen des militärischen Widerstands „Walküre“ (Attentat vom 20. Juli 1944) als auch „Radetzky“ (kampflose Übergabe Wiens im Frühjahr 1945) eine Rolle. Eine Gedenktafel an Carl Szokoll im Foyer des Regierungsgebäudes erinnert an die militärische Widerstandsbewegung gegen den Nationalsozialismus. Den vielen Opfern des Zentrums der Wehrmachtjustiz wird mit einer Gedenktafel am Eingang des Gebäudes gedacht.
Bis zur Besetzung der Stadt blieb das Regierungsgebäude ein Hort der Willkür und Terrorherrschaft.
Im Schatten des Kriegs
Den Kriegsverlauf überstand das Gebäude zunächst weitgehend unbeschadet. Erst während der Schlacht um Wien wurde das Haus schwer in Mitleidenschaft gezogen: Im März 1945 schlugen fünf Bomben ein, wobei es zur Explosion mehrerer im Haus befindlicher Munitionsdepots kam. Im April verwüstete zudem ein tagelanger Brand weite Teile des Gebäudes. Der hölzerne Dachstuhl brannte samt den kuppelförmigen Dachaufbauten beinahe vollständig ab. Übrig blieb eine Hausruine mit ausgebrannten Gemäuern und eingestürzten Decken. Die Heizungsanlage, Elektroleitungen und Aufzüge funktionierten nicht mehr, das Mauerwerk splitterte ab und zahlreiche Fußböden, Fenster und Türen waren komplett zerstört. Der Schaden war derart groß, dass es sogar Überlegungen zum Abriss gab.
Im Herbst 1945 übergaben die Alliierten das verwüstete Haus an die neue Regierung. Es folgte ein Entschluss zum Wiederaufbau und zur anschließenden Nutzung durch die Verwaltung. Das nun vollends ersichtliche Ausmaß der Zerstörung und die generellen Versorgungsengpässe stellten die Verantwortlichen für den Wiederaufbau vor große Herausforderungen. Zunächst galt es Unmengen an Schutt beiseite zu schaffen und die darin versteckten Bomben und Minen vorsichtig zu entschärfen.
Der endgültige Startschuss für den Wiederaufbau fiel 1949. Als Bauherr fungierte Eugen Ceipek, Sohn des einstigen Erbauers Josef Edler von Ceipek. Insgesamt benötigte man eine Million Ziegel, 2,3 Tonnen Zement und 200.000 Tonnen Betonstahl – angesichts des anhaltenden Baustoffmangels beachtliche Zahlen. So kam es auch, dass sich die Bauarbeiten ständig verzögerten.
Zweckmässigkeit statt Pomp
Im Zuge des Wiederaufbaus ergaben sich starke bauliche Veränderungen: Weite Teile der Fassade und auch die Dachlandschaft erhielten ein neues Antlitz. Anstelle der ursprünglich so pompösen Dachkuppeln wurde ein funktionales Satteldach errichtet. Indem man den Hof 1 um zwei Stockwerke aufstockte, ergab sich zudem ein Raumgewinn von 120 Büros. Auch die Ausstattung des Marmorsaals war durch den Krieg schwer in Mitleidenschaft gezogen worden. Nach aufwendigen Renovierungsarbeiten konnte der Prunksaal aber wieder für Repräsentationszwecke verwendet werden, wenngleich zahlreiche Details für immer verloren gingen. Das Interieur des Gobelinsaals war hingegen derart beschädigt, dass an eine originalgetreue Wiederherstellung nicht zu denken war. Sein einstiger Glanz lässt sich heute nur mehr auf alten Fotoaufnahmen erahnen.
1952 waren die Renovierungsarbeiten größtenteils abgeschlossen und die ersten BeamtInnen der Zweiten Republik fanden in den altehrwürdigen Räumen ihren Arbeitsplatz.
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